Müssten unsere Hausschweine zum Amt, wüssten sie, wann sie dran sind. Und Geräte bedienen können sie auch. Eine Hommage an unser verkanntes Borstenvieh.
Das Schwein gehört zu den intelligentesten Säugetieren. Wer also in Momenten der emotionalen Entgleisung sein Gegenüber als "dummes Schwein" beschimpft, offenbart, dass er keine Ahnung hat. "Man geht davon aus, dass Schweine mehr Kommandos lernen können als Hunde", sagt Sandra Düpjan, die am Leibniz-Institut für Nutztiere in Dummerstorf (ja, der Ort heißt wirklich so) seit vielen Jahren mit Schweinen arbeitet. "Mit der Rüsselscheibe und den Zähnen untersuchen die neugierigen Tiere zielstrebig alles, was ihnen unterkommt", sagt die Verhaltensforscherin.
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Dass Hausschweine auf einen Namen hören, machten sich die Forscher aus Dummerstorf mit Kollegen vom Friedrich-Loeffler Institut bei Experimenten in einem Stall in Niedersachsen zunutze. Sie brachten den Ferkeln in einer Schweineschulklasse mit nicht mehr als zehn Schülern zunächst dreisilbige Namen, wie Brunhilde, Griselda oder Edelgard, bei. Diese Fähigkeit brauchten die erwachsenen Schweine später bei der straff durchorganisierten Fütterung — ein Prozedere, wie auf dem Amt. Über Lautsprecher wurde jede der knapp 40 sehnsüchtig auf Futter wartenden Sauen einzeln aufgerufen. Nur das Schwein, das auch dran war, bekam am Futterautomaten etwas zu fressen. Die Identität wurde dabei streng geprüft statt mit einem Personalausweis funktioniert das im Schweinestall über einen Chip im Ohr.
Das Hausschwein (Sus scrofa domestica) stammt vom Wildschwein ab und wurde vor etwa 9.000 bis 10.000 Jahren vom Menschen domestiziert. Einziger Zweck: die Fleischerzeugung. Heute beträgt der durchschnittliche Pro Kopf-Verbrauch an Schweinefleisch in Deutschland 39 Kilo pro Jahr.
Unsere Schweine sind Allesfresser, sie leben gern in Gruppen zusammen und pflegen strenge Hierarchien. Sie können sehr gut riechen und hören und werden wenn sie nicht vorher geschlachtet werden bis zu zwölf Jahre alt. Unser ältestes Schwein wurde sogar 18 Jahre alt. Schweine kommunizieren in einer eigenen Sprache. Rund 20 verschiedene Oinks haben Biologen schon identifiziert. Nach anfänglicher Verwirrung -nicht selten liefen mehrere Sauen gleichzeitig zum Trog, wenn es aus dem Lautsprecher losdröhnte -hatten die Schweine das System kapiert. "Besonders faszinierend ist, dass die Schweine, die nicht aufgerufen waren, einfach ruhig liegen blieben, selbst bei der Herzfrequenz wurde keinerlei Reaktion gemessen", sagt Ditjan. Ertönte ihr Name, rannten sie sprichwörtlich im Schweinsgalopp zur Futterstelle. Einzelne Tiere wurden schon mit 50 km/h gemessen! Schnell ist das Schwein auch beim Fressen: Ein Kilo Nahrung hat es in fünf Minuten verputzt. Wir, die wir mit den Tieren arbeiten, wissen seit Jahrhunderten um die schweinische Intelligenz. Ein Bauer aus Dänemark kam Ende der neunziger Jahre sogar auf die Idee, die schlauen Tiere mitarbeiten zu lassen. Seine Schweine steuerten mithilfe eines Joysticks Belüftung und Temperatur im Stall selbst.
Von einem Spiegel lassen sich Schweine nicht täuschen. Wie Elefanten, Delfine und Primaten können sich Schweine selbst im Spiegel erkennen und haben offensichtlich eine Form von Selbstbewusstsein. Für eine Studie, die 2009 im Magazin Animal Behaviour erschien, testeten britischen Forscher, inwieweit die Tiere die Reflexionen des Spiegels verstanden. Sie versteckten Futter hinter einer Abdeckung, sodass es nur im Spiegel zu sehen war. Die Schweine durchschauten den Trick und liefen schnurstracks zum Futter. "Das heißt, sie können auch räumliche Informationen, die sie über den Spiegel bekommen, verarbeiten und wissen, wo sie sich selbst in dieser Konstellation befinden", sagt Düpjan. Trotz allem klebt das Image der Blödheit am Schwein wie zäher Dreck. Aber Achtung: Auch die Behauptung, Schweine seien schmutzig, ist ein Mythos. Zwar stürzt sich das Hausschwein mit großem Vergnügen in jedes Schlammloch und wälzt sich genüsslich. Das mag nach Sauerei aussehen. De facto aber handelt das Borstenvieh auch dabei wieder klug: Der Schlamm auf seiner Haut wehrt Insekten ab, kühlt und schützt im Sommer vor Sonnenbrand. Da es bei uns genug Platz hat, achtet das Schwein sogar in seiner Stallbucht (nur zum Abferkeln) und draussen peinlich genau auf die Trennung von Toilette und seiner Schlaf- und Liegeecke, in der es bis zu 13 Stunden am Tag pennt. Im Winter meist mehr...
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